Publié in : Education et Recherche, 1991, Nº 3. pp. 309-325.


 

 

 

Umsetzung wissenschaftlicher
Forschung in die Praxis :
Unter welchen Bedingungen sind Forscher dazu fähig und bereit?

 

Monica Gather Thurler & Michael Huberman

 

1990


Abstract

Einleitung

1. Einige Methodenhinweise

2. Die Umsetzungsbemühungen der EVA-Forscher

3. Anwendungsprädiktoren

4. Die Qualität der von den Forschern unternommenen Umsetzung

5. Zum Schluss: Umsetzung als soziale Dienstleistung - ja, aber nicht zu jedem Preis

Literatur



Abstract

Wie auch in anderen Wissenschaftsbereichen ist man im Bereich der Umsetzungs- und Wirkungsforschung dabei, bisherige Paradigmakonfrontationen zu überwinden und in diesem Zusammenhang neue Definitionen und Ideen für sinnvolle Nutzung der Forschung für die betroffenen Praxisbereiche aufzufinden.In diesem Rahmen haben die Autoren dieses Beitrags unter der Bezeichnung "Umsetzungsbemühungen" ein integriertes Arbeitsmodell entwickelt und auf dieser Basis sowohl die direkten und indirekten, als auch die konzeptuellen und instrumentellen Wirkungen der verschiedenen Umsetzungsmassnahmen, ihren Einfluss auf individuelle und institutionnelle Entscheidungen und Handlungen und nicht zuletzt auch ihre "perversen" Wirkungen (Verzerrung bzw. Vereinfachung der Projektresultate und Datenmissbrauch) überprüft. Die vorliegenden Daten lassen keinen Zweifel darüber, dass es Aufgabe der Forscher ist, den interessierten Anwendern kompetente und, falls notwendig, auch längerdauernde Hilfestellung anbieten, damit die vorliegenden Ergebnisse inbezug auf ihre sinnvolle Nutzung für den betroffenen Praxisbereich zu untersucht werden können.

Comme c'est également le cas dans les autres domaines scientifiques, les chercheurs spécialisés dans les problèmes de la dissémination des résultats scientifiques, sont en train de dépasser les oppositions paradigmatiques du passé et dd'inventorier de nouvelles définitions et idées pour une meilleure valorisation de la recherche pour les domaines concernés de la pratique. Ceci a amené les auteurs à développer un modèle intégrant les divers efforts de dissémination, et de l'utiliser pour vérifier les effets conceptuels et instrumentaux des divers efforts de disséminaiton, ainsi que leurs effets "pervers" (distorsion, respectivement simplification et utilisation "stratégique" des données). Les résultats de cette vérification ne laissent pas de doute qu'une des tâches importantes des chercheurs devrait consister dans l'avenir à offrir aux utilisateurs intéressés, un soutien compétent et, si possible, à longue échéance, pour examiner ensemble les diverses possibilités de valorisation et de mise en pratique des nouvelles données.

Einleitung

Ein erster Blick auf die 31 abgeschlossenen nationalen Forschungsprogramme (NFP) mit ihren je 20 bis 40 wissenschaftlichen Projekten und einem Gesamtbudget von ungefähr 285 Millionen Schweizer Franken zeigt, dass der Schweizerische Bundesstaat der Organisation und dem "Praxisbezug" wissenschaftlicher Forschung in den vergangenen Jahren viel Gewicht beigemessen hat: die grosse Anzahl durchgeführter Seminare und Studientage, vorliegender Publikationen, neuer Ergebnisse usw. sind ein klarer Beweis für die ausserordentliche Produktivität der Programme. Vom qualitativen Standpunkt aus lassen sich die Wirkungen jedoch nicht ganz so leicht beurteilen, da eine systematische Evaluation des direkten Nutzens nationaler Forschungsprogramme für das wissenschafts- und praxisorientierte Publikum bis heute nicht vorgenommen wurde.

Die vorliegenden Ergebnisse der an der Universität Genf durchgeführten und 1988 abgeschlossenen Untersuchung "Umsetzung wissenschaftlicher Forschung in die Praxis" (1) stellen den ersten Versuch eines umfassenden Beurteilungsmodells für die angewandte Forschung auf nationaler Ebene dar. Dieses Modell beruht in erster Linie auf Beobachtungen, die im Rahmen der Ueberprüfung eines der Berufsbildung gewidmeten nationalen Forschungsprogramms gemacht wurden. Unter dem Titel "Education et Vie Active" (EVA) wurde hier versucht, eine Verbesserung des Praxisbezugs zu erreichen, indem man sich um eine aktive Ausbreitung (Diffusion) der Forschungsergebnisse sowohl inner- als auch ausserhalb des Wissenschaftsbereichs bemühte.

Die Kernfrage unserer Untersuchung lautet folglich: Unter welchen Bedingungen führen die im Rahmen des EVA-Programms unternommenen Umsetzungs-versuche zu einer nachhaltigen "Anwendung" der Forschungsergebnisse bei den verschiedenen Zielgruppen?

Mit dieser Art der Fragestellung gehen wir eine Problematik an, die unter der Bezeichnung "Umsetzung und Implementation wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis" nun bereits seit ungefähr 35 Jahren einen zwar klar umrissenen, aber immer noch umstrittenen Arbeitsbereich darstellt (Havelock, 1969, Huberman, 1987).

Zwar kann man sich inzwischen auf eine Reihe von klar erwiesenen Zusammenhängen abstützen, wie z.B. die zunehmende Aufnahmebereitschaft der Anwender (2) jenen Forschungsergebnissen gegenüber, die ihnen durch bereits gut bekannte Personen vermittelt werden. Trotzdem gehen aber heute noch die Meinungen sehr stark auseinander, was die Handlungskonsequenzen für eine klar umrissene Umsetzungspolitik betrifft. Sie hängen sehr stark vom jeweiligen Lern- bzw. Denkmodell ab, d.h. davon, ob man Verhaltensveränderungen von aussen durch gezielte und belehrende Erkenntnisvermittlung oder aber eher von innen im Sinne des "Abholens", durch gemeinsame, "transaktionelle" Erkenntniserarbeitung zu bewirken hofft.

Zieht man das gemeinsame Vorgehen vor, so wird man bald feststellen müssen, dass die Intensität der Interaktion, die "Vertrautheit" zwischen Vermittlern und Anwendern und die Qualität der persönlichen Beziehungen zwar mögliche, aber nicht unbedingt allgemeingültige Ausgangsbedingungen für die spätere Anwendung darstellen (siehe auch Shapiro, 1984). In diesem Fall wird es nicht zu vermeiden sein, dass sich der Forscher etwas gründlicher über die institutionellen Faktoren im Vermittlungs- und Anwendungsumfeld informiert, bzw. die Macht- und Einflussfaktoren zwischen den Betroffenen näher untersucht. Und dann zeigt sich auch, dass weder die eine noch die andere Perspektive für sich allein die Universallösung darstellt.

Wie in den übrigen Wissenschaftsbereichen auch hat hier in letzter Zeit ein wichtiger Paradigmawechsel stattgefunden. Vor allem die Arbeiten amerikanischer Forscher wie Weiss (1980) und Nisbett & Ross (1980) haben seit Beginn der 80iger Jahre zu einer Annäherung der "instrumentellen" und "transaktionellen" Sichtweise beigetragen. Die Erfahrung, dass Wissensvermittlung nach dem "Dosenöffnerprinzip" kaum zu ausschlaggebenden Ergebnissen führt, war hier ein wichtiger Auslöser. Darüberhinaus weisen aber auch neuere Forschungs-ergebnisse im Bereich der Sozialwahrnehmung darauf hin, wie unterschiedlich Information verarbeitet wird und wie weit sich nach erfolgter Umsetzung das End- vom Eingabeprodukt unterscheidet. So wird heute die regelmässig nachgewiesene Mischung aus Wahrnehmungs-verzerrungen und ohnehin unvermeidlichen rein kognitiven Missverständnissen für die weitgehend falschen Schlussfolgerungen verantwortlich gemacht, die Praktiker aus vorliegenden Forschungsergebnissen ziehen.

Diese Befunde wurden in letzter Zeit noch durch Ergebnisse aus der Organisationsforschung bestätigt, die sich an eher transaktionelle, bzw. sogar konflikttheoretische Modelle lehnen (Crozier and Friedberg, 1977; et al.): Anwender nehmen laufend Transformationen externer Inputs vor. Autoren wie Habermas (1973) und Young (1975) weisen ihrerseits darauf hin, dass die endgültige Umsetzung von Forschungsergebnissen oft in einer Weise erfolgt, die keineswegs den bisherigen Idealvorstellungen geltender Wissenschaftstheorien entspricht: so kann es vorkommen, dass die Praxis Forschungsergebnisse zu strategischen Zwecken, als "Schützenhilfe" verwendet, was natürlich ebenfalls zu mehr oder weniger schwerwiegenden Verzerrungen und in manchen Fällen sogar dazu führt, dass im Nachhinein das gesamte Forschungsprojekt als ungültig verworfen wird.

Folglich wird hier die Aufgabenstellung für die Umsetzung noch komplexer. Es geht nicht nur darum, die künftigen Anwender vom Praxisbezug der neuen Forschungsergebnisse zu überzeugen, sondern auch darum, gemeinsam mit ihnen die notwenigen Schritte für eine wirksame Praxisveränderung zu überprüfen. Bis hierhin werden unsere Ausführungen wohl kaum auf Widerstände beim Leser gestossen sein. Viel problematischer wird es, wenn wir noch dazu die Behauptung aufstellen, dass die hauptsächliche Verantwortung für die Umsetzung bei den Forschern liegt. Natürlich wird es hier sofort heissen, dass Umsetzung zuviel Aufwand bedeutet, dass sie unvermeidlich zulasten der Forschungsqualität geht, dass Forscher für diese Aufgabe schlicht und einfach nicht zuständig bzw. nicht kompetent sind. Unter diesen Voraussetzungen wird die geforderte Umsetzung eher als Strafarbeit empfunden, deren man sich dann dementsprechend entledigt. Im Gegensatz dazu kann Umsetzung aber auch als selbstverständliche Dienstleistung verstanden werden. Die Frage lautet dann, unter welchen Voraussetzungen Forscher bereit und fähig sind, Umsetzungsbemühungen zu unternehmen, die in der Folgezeit konzeptuelle und instrumentelle Wirkungen in der Praxis auslösen.

Zur Beantwortung dieser Frage haben wir im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sowohl den instrumentalistischen als auch den transaktionellen Ansatz, die uns beide gleich gültig, aber auch aufgrund der empirischen Befunde stark miteinander verflochten erschienen, in ein einziges Modell integriert. Wir waren somit in der Lage, sowohl die direkten und indirekten, als auch die konzeptuellen und instrumentellen Wirkungen der verschiedenen Umsetzungsmassnahmen, ihren Einfluss auf individuelle und institutionnelle Entscheidungen und Handlungen und nicht zuletzt auch ihre "perversen" Wirkungen (Verzerrung bzw. Vereinfachung der Projektresultate und Datenmissbrauch) zu überprüfen.

1. Einige Methodenhinweise

Zur Untersuchung dieser Fragen haben wir neben dem sog. "Hauptmodell" mehrere Arbeitsmodelle zur genaueren Analyse der verschiedenen Teilaspekte der Umsetzungs-problematik entwickelt (3). Das Arbeitsmodell "Umsetzungsbemühungen" (Fig. 1, siehe nächste Seite), mit dem wir uns im folgenden ausführlich befassen werden, enthält eine detaillierte Darstellung der untersuchten Variablen, die sich im Rahmen früherer Umsetzungsstudien (z.B.Glaser et al., 1983) als wichtige, wenn auch nicht ausschliessliche Bestimmungsfaktoren erwiesen haben. Im ersten Kasten sind unter der Bezeichung "Forscherkontext" u.A. die charakteristischen Merkmale der Studie, das Vorhandensein einer Umsetzungsstrategie, die Priorität des Praxisbezugs und die Anwenderzentrierung aufgeführt. Insbesondere im Kasten "Anwenderzentrierung" befinden sich eine Reihe von Faktoren, für die bereits vorliegende Untersuchungen auf sehr hohe Korrelationswerte mit den konzeptuellen und instrumentellen Auswirkungen hinweisen.

Die Merkmale, die in der Kategorie "Beziehungsmechanismen" zusammengefasst sind, üben einen bestimmenden Einfluss auf die spätere Projektwirkung aus. Allerdings kommt eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Forschern und Praktikern nur dort zustande, wo auf beiden Seiten die notwendigen Bedingungen vorhanden sind. Ist dies der Fall, dann schaffen die geknüpften Kontakte eine "Betroffenheit", die als eines der wirksamsten Innovationselemente bezeichnet werden kann.

Die Anwendungsprädiktoren ihrerseits setzen sich aus einer Reihe wichtiger Variablen zusammen, die je nach Zielpublikum sehr unterschiedliche "clusters" ergeben. So ist z.B. in gewissen Zielgruppen, die sich Forschungsergebnissen gegenüber eher ablehnend verhalten, sowohl mangelndes Resultatverständnis als auch hohe Uebereinstimmung mit geltenden Meinungen die Regel. Andere Zielgruppen wiederum sind trotz mangelhaftem Resultatverständnis von der Validität der Studie überzeugt und auf dieser Basis durchaus bereit, beträchtliche Mittel für eine langfristige Umsetzung einzusetzen. Weiter können strategisch motivierte Wahrnehmungsverzerrungen zu starken instrumentellen Wirkungen führen - ein Umstand, der Forscher manchmal stark belastet. Allerdings wurde aber auch wieder mit gleicher Häufigkeit nachgewiesen, dass wirksame Umsetzung auf differenziertem Problembewusstsein, gutem Resultatverständnis, organisatorischer Offenheit und entsprechendem Zeit- und Ressourceneinsatz vonseiten der Anwender beruht. Wie man sich gut vorstellen kann, sind hier die gemischten Konfigurationen in der Mehrzahl.

Das letzte Variablenpaket, die sog. "Umsetzungsbemühungen", stellen eine inzwischen gut bekannte Checkliste dar; dabei garantieren vor allem die unter der Kategorie "Umsetzungskompetenz" zusammengefassten Variablen die höchsten Korrelationswerte mit den Projektwirkungen.

1.1. Stichprobenauswahl und Datenerhebung

Ausgehend vom Hauptmodell und von den verschiedenen Arbeitsmodellen haben wir im Rahmen einer fallstudienorientierte "Tracer-study" elf Projekte (4) untersucht. Unsere Stichprobe umfasst den Grossteil der "wichtigsten" Projekte des EVA-Programms, deren Budget 200.000.- Fr. überstieg und in deren Rahmen Umsetzung stattgefunden hat. Im Verlauf unseres Ermittlungsverfahrens gingen wir bis 18 Monate nach Projektabschluss in den von den Hauptgesuchsstellern bestimmten Zielgruppen den "Spuren" des betreffenden Projekts nach. Die Datenerhebung erfolgte in mehreren aufeinanderfolgenden "Wellen", hauptsächlich anhand von zahlreichen Interviews und Beobachtungen, und wurde durch die Analyse vorliegender Dokumente vervollständigt. Die vorliegenden Daten wurden dann der qualitativen Forschungs-methode entsprechend (vgl. Douglas, 1976, Glaser, 1978, Lincoln und Guba, 1985, Huberman, 1983, Miles und Huberman, 1984) einem sehr sorgfältigen progressiven Verdichtungs- und induktiven Folgerungsprozess unterworfen. Dieses Vorgehen wurde im wissenschaftlichen Forschungsbericht (Huberman und Gather Thurler, 1988a) ausführlich dargestellt.

Sowohl für diese Uebersicht als auch für die folgende Ergebnisdarstellung gilt noch ein wichtiger Hinweis: Wir haben im Rahmen unserer Untersuchung zwischen "Projekten" und "Zielgruppen" bzw. "Fällen" unterschieden. Insgesamt haben die Hauptgesuchssteller der elf untersuchten Projekte 23 Zielgruppen bestimmt. Um die Anonymität der betroffenen Forscher und Anwender zu wahren, wurden die Projekte und die Zielgruppen neu benannt.

2. Die Umsetzungsbemühungen der EVA-Forscher

Ausgehend vom eingangs beschriebenen Modell "Umsetzungsbemühungen" haben wir als erstes die Forscher aufgefordert, die Zeit einzuschätzen, die sie, global gesehen und im Vergleich zur gesamten Projektdauer, für die Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in die Praxis investiert haben.

Für die Umsetzung investierter Zeitaufwand. Aufgrund der stark variierenden Einschätzungen lassen sich drei Gruppen feststellen. Innerhalb der ersten "Gruppe" (5 Fälle) geben die Forscher an, dass sie 25-45% der gesamte Forschungszeit für die Umsetzung eingesetzt haben. In der zweiten "Gruppe" (5 Fälle) wurde "wenig Zeit" für Umsetzung aufgewendet. So meinen uz.B. die Forscher des Projekts GREEN mit einer gewissen Selbstzu-friedenheit, dass sie die eingesetzte Zeit durchaus optimal zu nutzen vermochten. Ganz anders tönt hier das Echo der Forscher im Fall von LAMANO-LA: der investierte Zeitaufwand ("...für unaufhörliche Diskussionen und mühsame Textüberarbeitungen...") wurde hier als "irrsinnig" empfunden. Die dritte und letzte "Gruppe" umfasst 3 Fälle. In den ersten beiden Fällen hatten die Forscher die Umsetzung in den Hintergrund verdrängt,bzw. geplant, sich erst nach Abschluss der Forschungsphase mit ihr zu befassen. Im Fall von LAMANO-NO hingegen handelt es sich um eine Umsetzung, die ohne zusätzliche Bemühungen vonseiten der Forscher ablief.

Zeitaufwand für die verschiedenen Umsetzungsaktivitäten. Die folgende Tabelle fasst die Schätzungen der Forscher inbezug auf den Zeitaufwand während den drei Phasen (vor, während und nach der Datenerhebung) des Forschungsprozesses zusammen:

 Tabelle 1: Zeitaufwand für Umsetzungsaktivitäten vor, während
und nach der Datenerhebung. Modalwerte der von den
Forschergruppen vorgenommenen Einschätzungen. (N = 13)

 

 

 Grosser Zeitaufwand


Anzahl
%

Antworten

Mehr Zeitaufwand bei Wiederholung des Projekts

Anzahl %

Antworten

vor der Datenerhebung

N möglicher Antworten :

 

 39

 10

 25.6%

 9

 23.0%

während der Datenerhebung

N möglicher Antworten:

 

 91

 19

 20.8%

 23

 25.2%

nach der Datenerhebung

N möglicher Antworten:

 

 78

 30

 38.5%

 30

 38.5%

 

Total :

 

 

 208

 

59

 

28.2%

 

62

 

29.8%

Gesamtgesehen haben die Forscher in 26% der Fälle viel Zeit für Umsetzungsaktivitäten vor der Datenerhebung eingesetzt, 23% würden diesen Zeiteinsatz im Falle einer Wiederholung des Projekts erhöhen. In 4 Forschergruppen wurde diese Zeit hauptsächlich der gemeinsamen Projektplanung mit den Anwender gewidmet; nach Meinung weiterer 4 Forschergruppen waren vor allem die Informationssitzungen zu Beginn des Projekts zeitaufwendig. Sichtlich wurde aber in dieser Projektphase Kontakten mit den möglichen Anwendern im allgemeinen wenig Bedeutung beigemessen.

Aehnliches gilt auch für den Zeiteinsatz während der Datenerhebung: in 2 von 13 Fällen (15%) haben die Forschergruppen viel Zeit eingesetzt, um die zukünftige Umsetzung der Projektresultate gemeinsam mit den Anwendern zu planen. Die Mehrzahl der Forscher (62%) würde im Falle einer Wiederholung des Projekts für diese Aktivität mehr Zeit einplanen.

Verfügbarkeit der Mittel. 69% der Antwortenden bezeichneten die von der Projektleitung zur Verfügung gestellten Mittel als angemessen. In 3 von 15 Fällen wurde jedoch die materielle Unterstützung durch die Projektleitung als "problematisch" bezeichnet. Nach Meinung jener Forscher, die sich als "übervorteilt" empfanden, hat die Projektleitung den notwendigen Arbeits- und Zeitaufwand weit unterschätzt.

"... Eine genau nach Plan durchgeführte Umsetzung würde bedingen, dass mehr Geld zur Verfügung steht ... da die Motivation hoch war, ging die Umsetzung halt einfach auf Kosten der Freizeit." (BIO)

Vorhandensein einer Umsetzungsstrategie. Im allgemeinen werden von den Forschern unternommene Umsetzungsbemühungen sowohl durch die anerkannte Priorität der Umsetzung, als auch durch das Vorhandensein einer Umsetzungsstrategie bestimmt.

Unter "Strategie" verstehen wir hier eine Reihe von Vorentscheidungen, die eine wichtige Grundlage für die zu leistende Umsetzung und deren späteren zeitlichen Ablauf darstellen: die Zielgruppenbestimmung, die möglichen Formen der Zusammenarbeit mit den Anwendern, die Schritte, die es während der verschiedenen Projektphasen zu unternehmen gilt und natürlich die vorgesehenen Umsetzungsprodukte. Auf dieser Basis werden dann auch die Verant-wortlichkeiten und die materiellen Bedürfnisse (Zeit und Geld) abzuklären.

Die untersuchten Projekte weisen natürlich kein einheitliches Vorgehen bei der Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse auf. Wir haben folglich als erstes die Haltung der Forschergruppen den Forderungen der Programmleitung gegenüber untersucht: wie reagierten diese zu Beginn und während des Projekts, als die Projektleitung immer ausdrücklicher von ihnen verlangte, ihren Umsetzungsplan vorzulegen? Die folgende Tabelle liefert einige Hinweise auf diese Frage.

Tabelle 1.2.: Umsetzungsbemühungen der Forscher:

Vorhanden sein und Art der Strategie

 

Strategie zu Beginn

 

 

Unter Druck durch die Programmleitung formulierte Strategie

 

 

N Fälle

 

% Fälle

 

N Fälle

 

% Fälle

 

detailliert

 

1

 

0.7%

 

10

 

67.3%

 

global

 

8

 

53.0%

 

3

 

20.8%

 

vage

 

3

 

20.0%

 

1

 

6.6%

 

nicht vorhanden

 

3

 

20.3%

 

1

 

6.6%

 

Gesamt:

 

15

 

99.9%

 

15

 

99.9%
 

In einem Fall lag bereits zu Projektbeginn ein detaillierter Umsetzungsplan vor. In 8 Fällen bestand ein globaler Plan. In weiteren 3 Fällen hatten die Forscher die vage Absicht, nach dem "Giesskannenprinzip" möglichst vielen Anwendern ein relativ unverbindliches Angebot zu unterbreiten. In 3 Fällen wurde keinerlei Umsetzungsplanung unternommen.

Im Verlauf des Programms erreichten die Projektleitung und die Experten durch wiederholtes "Nachhaken", dass die Forschergruppen in 10 von 15 Fällen einen detaillierten und in 3 Fällen einen globalen Umsetzungsplan vorlegten, deren Effizienz sich allerdings in der Folgezeit als sehr unterschiedlich erwiesen hat. So haben unsere Beobachtungen ergeben, dass dieser unter folgenden Voraussetzungen ein wirkungsvolles und realistisches Planungs- und Führungs-instrument darstellte: wenn er (a) ausreichend anpassungsfähig und/oder vollständig war, um die verschiedenen Kontexte der Zielgruppen berücksichtigen zu können und (b) für die Forscher eine Art von Bezugsrahmen darstellte, der ihnen genügend Freiraum zugestand, um gemeinsam mit den Anwendern die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

Hierbei hat die Projektleitung die Forscher auf drei Ebenen unterstützt bzw. beeinflusst: (a) sie stellte den Forschern die Mittel zur Verfügung, damit sie ihre Produkte "verkaufen" konnten; (b) sie hielt die Forscher dazu an, sich Gedanken über die "Praxisrelevanz" ihrer Forschungsresultate zu machen; (c) sie unterstützte die Kontaktnahme mit den Anwendern.

Dort, wo die Forscher ihre Umsetzungsstrategie relativ frühzeitig festzulegen vermochten, kam die Priorität der Praxisbezogenheit klar zum Ausdruck; sowohl die Programmleitung als auch die Zielgruppen konnten in der Folgezeit direkten Einfluss auf den Umsetzungsprozess nehmen. Hingegen haben sich die unternommenen Umsetzungsbemühungen dort, wo keine Umsetzungsstrategie ausformuliert wurde, als unzureichend und meist wenig angepasst erwiesen. Dieser Umstand ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Forscher die Bedürfnisse bzw. die spezifischen organisatorischen Merkmale der betroffenen Anwender nicht genügend erfasst bzw. berücksichtigt hatten.

3. Anwendungsprädiktoren

Eine unserer Arbeitshypothesen lautete, dass die durch die Forscher geleistete Umsetzung im Zusammenhang steht mit den Beziehungen, die vor, während und nach der Datenerhebung mit den Anwendern geknüpft werden konnten. Aus dieser Perspektive wird der Anwender nicht etwa als passives, zu belehrendes Objekt der Umsetzung, sondern vielmehr als eine Aufnahmestruktur mit eigenständiger Dynamik wahrgenommen. Die erreichten Wirkungen werden folglich in grossem Masse von der "Kompetenz" abhängig sein, mit der die betreffende Forschergruppe die jeweilige interne Dynamik der einzelnen Zielgruppen erfasst und in der Folgezeit die entsprechenden Umsetzungsbemühungen einleitet. Darüberhinaus hängen die erreichten Wirkungen allerdings auch zum grossen Teil von den Bemühungen ab, die von den Anwendern selbst unternommen werden. Unabhängig davon, ob Veränderungsprozesse durch Anwender, durch Mediatoren oder durch die Forscher selbst ausgelöst werden, müssen die Anwender ein ausreichend differenziertes Problembewusstsein aufweisen bzw. entwickeln, die Veränderung wünschen und sich rückhaltlos an der Einführung der Innovation beteiligen.

Die von den Abnehmern unternommenen Bemühungen. 55 der 66 (83%) auf die vorgelegten Schätzskalen antwortenden Anwender bezeichnen den von ihnen für die Umsetzung eingesetzten Mittel- und Zeitaufwand als determinierende Faktoren. Gleichzeitig beurteilen allerdings nur 30% die erlebte Situation als zufriedenstellend, wobei diese Aussagen einerseits im Sinne eines "mea culpa" der antwortenden Anwender, andererseits aber auch als Kritik den Forschern gegenüber vorgebracht wurden.

" Die beiden wichtigsten Faktoren wären für mich:
- mehr Investitionen an Zeit und Aufwand für die Umsetzung der Ergebnisse;
- aktivere Beteiligung von mehr Leuten aus unserer Abteilung in der Frage der Anwendung von Ergebnissen " (Anwender, TRIO).

Aufgrund der vorliegenden Daten ist es möglich, eine bestimmte Bereitschaft zur Umsetzung vonseiten der Anwender vorauszusagen, (a) wenn die Zielgruppe bestimmte interne Regelungen bzw. Merkmale aufweist, welche die spätere Aufnahme neuer Forschungsergebnisse begünstigen (institutionalisierte Weiterbildung, gut funktionierender interner Informationsfluss); (b) wenn mit dem Engagement und der Unterstützung durch die Kader und Schlüsselpersonen gerechnet werden kann; (c) wenn die Anwender die Verbindung zwischen dem Forschungs-projekt und ihren Bedürfnissen bzw. Prioritäten wahrnehmen; (d) wenn Verbindungen zwischen der Anwenderorganisation und der Forschergruppe oder zwischen der Anwender-organisation und Mediatoren hergestellt werden, oder (e) wenn die Anwender in den Forschungsprozess miteinbezogen werden und somit die Gelegenheit erhalten, im Rahmen der eigenen Praxis die Bedeutung der Projektresultate wahrzunehmen. Die folgende Darstellung ist das Ergebnis einer näheren Analyse der einzelnen Merkmale:

Fig. 2: Anwendungsprädiktoren für konzeptuelle Wirkungen

 

 

 

a) Bei ungenügendem Verständnis der Projektresultate besteht das Risiko einer relativ starken Verzerrung, wenn die Anwender nicht direkt von den Forschern betreut werden.

In einigen Fällen ist es den Forschern erst im Rahmen von Einzelgesprächen gelungen, die entstandenen Verzerrungen (z.B.: "kein Problem, ich kann so weitermachen wie gewohnt") zu korrigieren. Bei jenen Anwendern, die an solchen Follow-up-Gesprächen teilgenommen hatten, konnte das bessere Verständnis der hauptsächlichen Forschungsergebnisse eindeutig in ihrer persönlichen Praxis festgestellt werden.

 

b) Die Uebereinstimmung der Projektresultate mit bestehenden Meinungen, verbunden mit einem hohen Problembewusstsein, führt zu einem besseren Verständnis der Projektresultate und somit zu einem Minimum an Verzerrungen. Ist dies nicht der Fall, dann besteht die Gefahr, dass die Projektresultate verzerrt und zu opportunistischen Zwecken missbraucht werden.

Für 67% der antwortenden Anwender stimmten die Resultate mit ihrer eigenen Meinung überein, für weitere 19% war die übereinstimmung begrenzt. Für 7% der Antwortenden stimmten sie nicht überein und weitere 7% kannten die betreffenden Ergebnisse zu wenig, um eine Beurteilung vorzunehmen.

" Zum grössten Teil entsprachen die vermittelten Inhalte meinen Erfahrungen und Ideen auf diesem Gebiet...der Kurs führte nun aber dazu, dass ich versuchte, bei meinen Vorarbeitern dieses Verständnis wieder stärker zu fordern " (Anwender, TRIO).

 c) Folgeaktivitäten und interaktive Umsetzungsbemühungen können in hartnäckigen Fällen dazu beitragen, die politischen Spannungen bei den einen zu lockern bzw. bei den anderen das notwendige Problembewusstsein zu entwickeln.

In zwei Fällen konnten wir beobachten, wie die von den Forschern und Anwendern gemeinsam unternommenen Umsetzungsbemühungen dazu beigetragen haben, bei den einen politische Spannungen abzubauen und bei den anderen das notwendige Problembewusstsein zu erwecken. Hier sind auch kaum Verzerrungen zu beobachten - ein Ergebnis, das ebenfalls auf die zahlreichen stattgefundenen Kontakte zwischen Forschern und Anwendern, auf die intensiv durchgeführten Follow-ups und die leicht lesbaren Populärfassungen zurückzuführen ist.

Im Gegensatz dazu reichten in einem Fall aufgrund des zu schwachen Problembewusstseins auf Anwenderseite die in der Folgezeit unternommenen Umsetzungsbemühungen nicht aus. Die Anwender verstanden im Endeffekt nicht, worum es eigentlich ging und wiesen die Forschungsergebnisse zurück:

" Aussagen darüber, was vielleicht einmal in 20 Jahren Jahren geschehen wird, nutzen uns nichts - wir befinden uns in einer Umstrukturierungsphase, wo hier und jetzt Beschlüsse gefasst werden müssen " (Anwender, INNO-IBS).

 d) Das Vorhandensein hohen Problembewusstseins, einer offenen Aufnahme-struktur, sowohl als auch eines guten Resultatverständnisses sind nicht immer ausreichend, um zu bescheidene Umsetzungsbemühungen auf der zwischenpersönlichen Ebene zu kompensieren.

In dieser Kategorie können vor allem jene Anwenderorganisationen zusammengefasst werden, die im Prinzip wichtige Mediationsfunktion übernehmen könnten und sollten. So z.B. der Fall von VEL-K: hier war das Problembewusstsein hoch, einer der Kader war Mitglied der Expertengruppe; hier hatte man keine Schwierigkeiten, wissenschaftliche Berichte zu lesen und folglich wurden auch die Projektergebnisse gut verstanden. Andererseits stimmten die Forschungsergebnisse nur teilweise mit den vorherrschenden Meinungen überein. Dadurch entstanden starke Verzerrungen, die nie korrigiert werden konnten, da sich Forscher und Anwender wegen einer Reihe von Turbulenzen während des Projektverlaufs "auseinandergelebt" hatten. Die von den Forschern "vernachlässigten" Schlüsselpersonen waren weder bereit noch fähig, von sich aus den nötigen Transfer auf ihr Praxisfeld vorzunehmen.

 

e) die mangelnde Uebereinstimmung zwischen den Projektresultaten und den vorherrschenden Meinungen bei den Anwendern scheint vor allem dann schwerwiegende Verzerrungen hervorzurufen, wenn das Bewusstsein bezüglich des untersuchten Problems zuwenig differenziert ist und zudem wenig zur Umsetzung der Resultate unternommen wird.

In zwei Fällen konnten auch während des Projektverlaufs die anfänglichen Zweifel bezüglich der Zweckmässigkeit der Untersuchung nicht abgebaut werden. Nach Meinung der befragten Kader beruhen diese auf Resistenzen ihrer Mitarbeiter dem Gesuchssteller gegenüber: "...jeder kennt ihn, weiss, was er denkt und will". Die mangelnde Bereitschaft, sich mit den Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen, wurde hier noch durch die fehlende Umsetzungs-kompetenz und den ungenügenden Einsatz vonseiten der Forschergruppe verstärkt und bestätigte die Anwender in der Folgezeit in ihrer Meinung, die Ergebnisse seien für sie unbrauchbar.

Der Einfluss der Umsetzungskompetenz der Forscher. Haben die von den Forschern unternommenen Umsetzungsbemühungen vermocht, die mehr oder weniger positiven Ausgangsbedingungen auf Anwenderseite (Resultatverständnis, Problembewusstsein, über-einstimmung mit vorherrschenden Meinungen, mögliche Verzerrungen) zu beeinflussen bzw. zu kompensieren und damit in der Folgezeit zu konzeptuellen und instrumentellen Wirkungen geführt? Unsere statistischen Analysen ergeben tatsächlich einen hohen (tau = .56) und signifikanten Zusammenhang (p < .01) zwischen der Umsetzungskompetenz der Forscher und den konzeptuellen Wirkungen bei den Anwendern. Darüberhinaus liegen aber die errechneten Korrelationswerte zwischen den von den Forschern geleisteten Umsetzungsbemühungen und den konzeptuellen Wirkungen bei den Anwendern sichtlich höher (tau = .70, (p < .001). Wir schliessen daraus, dass es den Forschern in einzelnen Fällen gelungen ist, die mangelnde Kompetenz durch einen besonders intensiven Zeit- und Mittelaufwand zu kompensieren.

Um den Einfluss der Prädiktoren auf Anwenderseite auf die Wirkungen der erfolgten Umsetzung etwas näher zu untersuchen, wurden eine Reihe von Teilkorrelationen zwischen (a) der Umsetzungskompetenz der Forscher, (b) den Anwendungsprädiktoren auf Anwenderseite und (c) den konzeptuellen Wirkungen berechnet. Es hat sich gezeigt, dass die verschiedenen "Prädiktoren" auf der Anwenderseite keinen direkten Einfluss auf die konzeptuellen Wirkungen ausüben. Somit scheint die Verantwortung für diese konzeptuellen Wirkungen doch hauptsächlich bei den Forschern zu liegen.

Die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Merkmalen sind weniger offensichtlich, wenn es um die instrumentellen Wirkungen geht. Hier liegen die schwachen bzw. sogar mittleren Korrelationswerte jeweils unterhalb der Signifikanzschwelle. Jedoch weisen die errechneten Teilkorrelationswerte auf ähnliche Tendenzen wie bei den konzeptuellen Wirkungen hin.

In der Grosszahl der untersuchten Fälle scheint die von den Forschern unternommene Umsetzung folglich das Problembewusstsein der betroffenen Anwender beeinflusst zu haben, ohne jedoch unbedingt individuelle oder kollektive Handlungen auszulösen. Im Gegensatz dazu hat sich der geleistete Arbeitsaufwand (z.B. verschiedenartige Informationskanäle und Umsetzungsprodukte) in der Mehrzahl der Projekte als hauptsächlicher Einflussfaktor erwiesen. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse haben die Forscher unserer Ansicht nach mehr "good-will" als "know-how" an den Tag gelegt.

4. Die Qualität
der von den Forschern unternommenen Umsetzung

82% der Antwortenden sind der Meinung, die "persönlichen Kontakte zwischen Forschern und Anwendern" sei die wichtigste Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung, an zweiter Stelle wird die "Priorität der Umsetzung" genannt und an dritter Stelle die "Redaktion adressatenspezifischer Berichte".

Als wichtige inhaltliche Kriterien für die "Qualität der Produkte" werden andernorts die "Lesbarkeit" und "Konzentration auf wirklich Veränderbares" genannt. 69% der Antwortenden vertreten hier die Meinung, die von den Forschern verfassten Berichte bzw. mündlichen Präsentationen der Forschungsresultate seien leicht verständlich gewesen und haben konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Andererseits bezeichnen 70% der Antwortenden die "Berücksichtigung des Anwenderkontexts" als entscheidenden Faktor, der jedoch in 38% der Fälle vernachlässigt worden sei.

Für 69 % der befragten Anwender ist die Attraktivität der Umsetzungsprodukte ein entscheidender Faktor; die Hälfte der Befragten beurteilten die in dieser Hinsicht unternommenen Bemühungen als zufriedenstellend.

Die Gültigkeit der Umsetzungsprodukte. Die Uebertragung der Projektergebnisse aus einem spezifischen Forschungskontext auf ein neues Praxisfeld stiess auf zahlreiche Schwierigkeiten. Mit drei Ausnahmen wurde in allen Fällen die Generalisierbarkeit des wissenschaftlichen Ergebnisberichts als problematisch bezeichnet, die interne Gültig-keit einiger Populärfassungen warf ihrerseits weitere Fragen auf. Die als "unproblematisch" beurteilten schriftlichen Ergebnisberichte enthielten entweder präzise Anwendungshinweise in ähnlichen Problemsituationen, oder berücksichtigten die klassische Vorgehensweise repräsentativer Stichproben, d.h. schränkten die Aussagen auf die untersuchte Population ein. Im Gegensatz dazu hat sich in der Mehrzahl der Fälle die Uebertragbarkeit der verschiedenen Populärfassungen als zufriedenstellend erwiesen. Darüberhinaus bestanden in 9 11 Fällen keine Zweifel über die innere Gültigkeit der Forschungsergebnisse.

Eine nähere Untersuchung ergibt hier, dass die von den Anwendern wahrgenommene Gültigkeit sehr stark mit dem Verständnis der Resultate zusammenhängt. Dieses wird wiederum zum grossen Teil von den Umsetzungsbemühungen bestimmt, die sowohl von den Forschern als auch von den Anwendern selbst unternommen werden.

 

5. Zum Schluss: Umsetzung als soziale Dienstleistung -
ja, aber nicht zu jedem Preis

Die Ergebnisse unserer Untersuchung weisen auf die wichtige Rolle der von den Forschern unternommenen Umsetzungsbemühungen hin. Allerdings lassen sie auch keinen Zweifel darüber, dass diese Bemühungen sich vor allem dort als wirksam erweisen, wo Forscher gemeinsam mit den Anwendern den möglichen Praxisbezug ihrer Studie aushandeln und in der Folgezeit eine Umsetzungsstrategie entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Adressaten eingeht, ohne anbedingt mit ausserordentlichem Mittel- und Zeitaufwand verbunden zu sein.

Dank der richtigen Dosierung zwischen Verantwortungsübernahme und -delegation gelang es einigen Forschergruppen im EVA-Projekt, ein Beispiel dafür zu setzen, wie Umsetzung als soziale Dienstleistung wahrgenommen werden kann und soll. "Sozial" ist diese Leistung in dem Sinne, als sie auf der Beziehungsebene erfolgt. Schriftlichen Mitteilungen wird hier eher eine Nebenrolle eingeräumt. "Dienstleistung" wird im Sinne von kompetenter Know-how-Vermittlung wahrgenommen, die nichts mit Aufopferung oder gar Strafarbeit zu tun hat.

Die Kompetenz- und Aufgabenbereiche sind klar definiert und beide Seiten sind bereit, gemeinsam ein bestimmtes Problem zu lösen: auf der Forscherseite wird eine - auch längerdauernde - Hilfestellung angeboten, um die Ergebnisse inbezug auf ihre sinnvolle Nutzung für den betroffenen Praxisbereich zu untersuchen. Die Anwender ihrerseits sind aus verschiedenen Gründen (wahrgenommene Gültigkeit der Studie, bereits bestehende oder im Verlauf der Studie entstandene Beziehung zur Forschergruppe, Bedürfnis nach wissenschaftlich fundierter "Schützenhilfe", um institutionelle Ansprüche durchzusetzen) daran interessiert, das vorlie-gende Know-how für sich zu nutzen.

Natürlich handelt es sich hier um eine Art von Idealzustand. Das Interessante bei unserer Untersuchung ist aber gerade, dass wir zeigen konnten, dass solche Idealzustände aktiv von Forschern geschaffen werden können, vorausgesetzt, sie gehen mit genügend Kompetenz an die Sache heran. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass Forscher durchaus fähig sind, sich diese Kompetenz relativ rasch anzueignen, wenn sie genügend Antrieb und Unterstützung sowohl von der Programmleitung als auch von den Anwendern selbst erhalten.

Und schlussendlich scheint es uns gelungen zu sein, eine weitere Bestätigung dafür zu liefern, dass sowohl die "instrumentelle" als auch die "transaktionelle" Sichtweise gelten, wenn es darum geht, Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in die Praxis umzusetzen. Mit anderen Worten: entkommt man der bisher geltenden Paradigmadichotomie, dann öffnet sich eine vollkommen neue Sichtweise, dank der es möglich wird, bisher widersprüchliche Einstellungen und Vorgehensweisen in ein gemeinsames Konzept zu bringen.

Unsere Aufgabe wird nun in nächster Zukunft darin bestehen, die vorliegenden Ergebnisse in den verschiedenen Bereichen praxisbezogener Forschung zu überprüfen und ein Modell zu erarbeiten, das Umsetzung als soziale Dienstleistung in ihren "modernen Zusammenhang" bringt. Es wird folglich nicht darum gehen, im Sinne des herkömmlichen "Wohlfahrts-verständnisses" Forschern zur Umsetzung "à tout prix" zu verurteilen. Vielmehr könnte ein zukunftsweisender Ansatz z.B. darin bestehen, dass man in der Schweiz ein Beratungs- und Begleitungsnetz schafft, das Forschern und Anwendern zur Verfügung steht. Allerdings wird die Verantwortung dafür, dass solch ein Kow-how-Pool auch tatsächlich genutzt wird, dann bei den betreffenden Schlüsselpersonen aus Forschung, Verwaltung und Praxis liegen.

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