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In Beiträge zur Lehrerbildung,
2002, n° 2, pp. 203-215.

 

 

 

 

 

 

Verwalten statt gestalten - die drohende Gefahr
für modularisierte Bildungsgänge

 

Philippe Perrenoud

Faculté de psychologie et des sciences de l’éducation
Université de Genève
2002

 

Sommaire

I. Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer individualisieren

II. Module tragen in ihrer Vielzahl zur Entwicklung der beruflichen Kompetenzen bei

III. Die Architektur des Curriculums festigen

IV. Die Regelung der Lernprozesse verstärken

V. Module dezentral entwerfen

VI. Die Professionalisierung der Ausbildner/innen und die Eigenständigkeit der Lehrer/innenbildungsinstitute

Literatur

 


Die Bildungsverwaltung nimmt zunehmend Einfluss auf die Studiengänge angehender Lehrerinnen und Lehrer. Die Institutionen der Lehrer/innenbildung sehen sich einem Druck zur Standardisierung der Studienpläne ausgesetzt, und das zufolge einer verwaltungsgeleiteten, normierenden Modularisierung der Curricula. Dadurch laufen die Dozentinnen und Dozenten Gefahr, als Lehrkörper ihre Zuständigkeit für die Planung des Studiums, für die Entwicklung des Konzepts und seine Umsetzung, einzubüssen. Zum Zeitpunkt, da die Institutionen sich transformieren und generell der Hochschulstufe zuordnen, werden sie auf die Lernorganisation, wie sie an Mittelschule üblich ist, zurückgebunden. Die an den HES und HEP Lehrenden und Forschenden setzen sich dadurch der Gefahr der Deprofessionalisierung aus.

Der vorliegende Text will auf das Problem aufmerksam machen und dazu beitragen, dass sich das Schlimmste vermeiden lässt, ausgehend von der Einsicht, dass sich Kompetenzen, wie sie der komplexe Bildungsauftrag voraussetzt, nicht in vereinzelten Modulen aufbauen lassen. Der Beitrag ruft die Ausbildner/innen der Lehrpersonen dazu auf, selbstverantwortlich über die Struktur und den Verlauf des Studiums nachzudenken und an dessen Weiterentwicklung zu arbeiten.. Die Ausbildung der Genfer Primarlehrkräfte belegt, dass die Modularisation wesentlich zu einer erwachsenengerechten und hochschulgemässen Gestaltung der Studiengänge beiträgt, indem sie die Voraussetzung zur klaren Strukturierung der Ausbildung in ihrem Wechselgefüge von erziehungswissenschaftlicher Theorie und Praxis schafft. Freilich verfolgt sie völlig andere Ziele als die des Bildungsmanagements. Insbesondere gilt es den Zusammenhang zwischen den einzelnen Modulen und dem gesamten Studienkonzept wahrzunehmen und den Teil im Ganzen zu situieren. Schliesslich fragt der vorliegende Text nach der Qualifikation der Ausbildner/innen und ihrer Professionalisierung, und er äussert sich zur Autonomie der Ausbildungsinstitutionen als Hochschulen mit eigenem Status.

 

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Was ist unter einem "Modul" zu verstehen? Für einen Betriebsorganisator sind Module "Container", normierte Behälter, die sich Platz sparend in entsprechend kalibrierte Bahnwagen und in Frachträume von Schiffen einpassen und sich kompakt stapeln und rationell geordnet transportieren lassen. Sie sind Lego-Bausteinen zu vergleichen: Alle haben sie die selbe Form und sind von identischem Zuschnitt. Was sie im einzelnen beinhalten, lässt sich vernachlässigen. Alle lassen sich gleich bewirtschaften, unter der Bedingung, dass eine Etikette ausweist, woher das Ladegut stammt, was sein Bestimmungsort ist, und minimalste Vermerke zum Inhalt - "verderblich", "feuergefährlich", "zerbrechlich" oder "überschwer" - anzeigen, was im Falle besonderer Vorkommnisse zu beachten ist.

Unter der Voraussetzung, dass auch im Bildungswesen Module auf diese Weise als Verpackungseinheiten verstanden werden, lässt sich aus ihnen ein Studienplan zusammensetzen, geordnet als Abfolge oder als ein Neben- und Miteinander der Lerneinheiten. Jedes Modul verfügt über ein gleiches Kontingent an Lektionen, führt zu einer gleichen Anzahl von Kreditpunkten, beginnt und schliesst zur selben Zeit wie die andern, so dass sich die Studierenden nach Abschluss eines jeden "Modulpakets" ohne Schwierigkeit einem weiteren "Ensemble" von Modulen zuweisen lassen. Es reproduziert sich auf diese Weise auf höherer Stufe die Lernorganisation der Mittelschulen, die ihre Schülerinnen und Schüler nach Abschluss einer jeden Periode gemäss standardisiertem Plan neu auf die einzelnen Fächer aufteilen.

Dieses System ermöglicht es, das eine Modul durch ein anderes zu ersetzen, wenn jemand wegen Krankheit oder zufolge eines Unfalls ein bestimmtes Modul nicht belegen kann oder wenn ein Kurs überbelegt ist resp. nicht zustande kommt. Dieser Austausch stellt den regulären Fortgang des Studiums nicht in Frage und er ist nicht Anlass, den Studienverlauf zu überprüfen. Es genügt, in der Liste möglicher Optionen den Titel eines Moduls zu ändern.

Ein Studienplan, der so konzipiert ist, gibt die Module den Dozentinnen und Dozenten vor. Diese haben lediglich für das Funktionieren des Systems besorgt zu sein. Ihre Lehraufträge lassen sich auf einfachste Art festlegen: Man weist ihnen einzelne Module zu, wie man dies in Unternehmungen mit den in der Montagehalle Arbeitenden tut, unter der Voraussetzung, dass diese über ein Minimum an Qualifikationen verfügen.

Schliesslich ist zu sagen, dass eine so verstandene Modularisierung der Studiengänge die Bindung an einen spezifischen Studienort aufhebt und dass sie auch nicht auf einzelne Ausbildungsrichtungen Bezug zu nehmen braucht. Sofern sich die Institutionen auf gemeinsame Standards verständigen und entsprechend ausrichten, verhalten sie sich wie Container-Schiffe, die, egal welches, die genormte Ladung aufnehmen. Ein Modul hier ist ein Modul dort und der Austausch bedarf keiner Anpassung. Die Dozierenden können ihren Lehrauftrag im Rahmen definierter Module ohne Rücksicht auf den Studienort unterschiedlichem Publikum gegenüber wahrnehmen. Die Ausbildenden sind wie die Module mobil, d.h. überall einsetzbar. So lassen sich die spärlichen Ressourcen rationell verwalten. Kostspielige Deplacements von Studierenden lassen sich vermeiden. All dies lässt erkennen, dass das Bildungsmanagement mehr und mehr dazu neigt, sich von Taylor inspirieren zu lassen, dem Begründer der wissenschaftlichen Betriebsführung und eines Systems der Arbeitsorganisation, das planerische Aufgaben von den ausführenden scharf abhebt. Und dies zum Zeitpunkt, da sich die Industrie von dieser Leitvorstellung zunehmend distanziert darauf hinzielt, zur Produktion kleiner Mengen nach Mass zurückzufinden.

Eine Karikatur? Kaum. Wer sich unser System der professionellen Ausbildung der Lehrpersonen genauer anschaut, wird feststellen, dass die Bildungsadministration die Modularisierung der Studiengänge durch gezielte Massnahmen fördert. Sie tut es, weil das System die zentrale, vereinheitlichende Führung und Verwaltung im Bildungsbereich begünstigt und weil es erlaubt, die finanziellen Aufwendungen zu reduzieren. Möglicherweise sind wir uns nicht bewusst, dass diese Strategie zu einer Verlagerung der Planungszuständigkeiten führt. Die Möglichkeiten, eigene Studienkonzepte zu entwickeln, schränken sich zunehmend ein. Die Dozentinnen und Dozenten sind gehalten, umzusetzen, was Experten für den betreffenden Ausbildungsstandort in standardisierter Weise konzipiert haben. Die Module gleichen genormten, vorfabrizierten Elementen, aus denen die Häuser gefertigt sind, die, einmal geplant, überall gebaut werden können.

Die sich entwickelnden Fachhochschulen, die Hautes écoles spécialisées (HES), und die Pädagogischen Hochschulen, die Hautes écoles pédagogiques (HEP), sind aufgefordert, sich diese Konzeption zu eigen zu machen. Sie sehen sich einem Druck zur Standardisierung, dem Trend zur normierenden Modularisierung ausgesetzt. Alle Institutionen, die nicht bereits vor zehn oder zwanzig Jahren über die didaktischen Prinzipien der Erwachsenenbildung nachgedacht und ihre eigenen Konzepte entwickelt und umgesetzt haben, sehen sich im Sog eines verwaltungsgeleiteten Modul-Designs. Ist es nicht ein ungeheuerliches Paradoxon, dass im Moment, wie die HES und die HEP sich anschicken, ihre Studiengänge auf die Hochschulstufe anzuheben, die Dozentinnen und Dozenten Gefahr laufen, deprofessionalisiert zu werden, indem man dem Lehrkörper die Zuständigkeit für die Entwicklung des Studienkonzepts und seiner Architektur entzieht.

Vielleicht ist noch Zeit, das Schlimmste zu vermeiden. Dazu beizutragen ist die einzige Absicht, die dieser Text verfolgt. Als Erstes gilt es sich darauf zu besinnen,dass die "unités capitalisables" durchaus nicht als Instrument zur Standardisierung und als Mittel zur Stärkung der Ausbildungsadministration geschaffen worden sind. Das wichtigstes Ziel ihrer Entwicklung war das der Individualisierung der Studien. Zum Zweiten lege ich dar, weshalb sich Kompetenzen von hoher Qualität nicht so aufbauen lassen, dass man für jede Einzelne ein Modul vorsieht. Zum Dritten erinnere ich daran, dass die Modularisierung uns nicht der Aufgabe enthebt, selber und eigenverantwortlich über die Struktur und den Verlauf des Studiums nachzudenken. Es mag erstaunen, dass ich in diesem Zusammenhang auf die Primarschule verweise, um zu exemplifizieren, was ich meine. Ich werde darlegen, wie die Module dazu beitragen können, dass sich die Lernprozesse klarer strukturieren und dass sich die Konstruktion des Wissens und der Fertigkeitskompetenzen optimiert. Indem ich auf das Programm der Ausbildung der Genfer Primarlehrkräfte verweise, zeige ich, dass Module - neben andern Ausbildungselementen - durchaus Einheiten eines Dispositivs des professionellen Lehrerstudiums sein können. Module sind weit mehr und anderes als einfache Behälter, die leicht zu stapeln sind, deren erste Funktion die wäre, das Bildungsmanagement einfacher zu gestalten und Kosten zu sparen. Schliesslich werde ich zum einen den Zusammenhang beleuchten, den es zwischen den Modulen und dem gesamten Studienprogramm wahrzunehmen gilt, und zum andern äussere ich mich zur Professionalisierung der Ausbildner/innen und zur Autonomie der Ausbildungsinstitutionen.

Inspiriert sind meine Überlegungen durch die Arbeiten zur Entwicklung einer Konzeption der Ausbildung der Primarlehrkräfte in den Erziehungswissenschaften und den Didaktiken an der Universität Genf im Zusammenhang mit einer reflektierten Praxis, eines Studiums, das zur Licence en sciences de l'éducation avec mentionnement Enseignement führt. Sie gehen jedoch auch hervor aus der wissenschaftlichen Begleitung der Entwicklung des modularisierten Programms der Fachhochschule für Gesundheit und Soziales (Haute école supérieure santé-social) der Suisse romande, und sie sind das Resultat der Zusammenarbeit in der Modulkonstruktion an verschiedenen Institutionen zur Ausbildung in sozialer Arbeit und Krankenpflege. Mitbedacht sind ferner auch die Erfahrungen mit Schulversuchen mit einem durch Module sequenzierten Lehrgang an Genfer Primarklassen. Das Lizentiatsstudium der angehenden Primarlehrkräfte an der Faculté de psychologie et des sciences de l'éducation ist seit 1970 nach dem Prinzip der "unités capitalisables" organisiert, was im Besonderen Michael Hubermann zu danken ist. Dieser Umstand trägt zur Objektivierung meiner Kritik bei und enthebt den Verfasser dieses Textes des Verdachts, unter einer anti-modularen "Allergie" zu leiden. Um es nochmals zu betonen: Es geht nicht um die Kritik der modularen Studienstruktur an sich, sondern um die Problematik einer Entwicklung, die die Ausbildungsinstitutionen entmündigt.

 

I. Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer individualisieren

Aus wessen Gründen und mit welchem Ziel hat man das System modularisierter Studiengänge entwickelt? Man ging davon aus, dass die Lerninhalte nicht zwingend für alle Studierenden die selben sein müssen, und man beabsichtigte, die Ausbildungen in ihrem Verlauf flexibler zu gestalten. Unser Schulsystem geht von der falschen Annahme aus, dass alle Schülerinnen und Schüler, gestützt auf identische Eingangsvoraussetzungen, in einem vorgegebenen Rhythmus zur selben Zeit auf Grund gleicher Lernfähigkeiten gleiche Lernziele erfüllen können. Es ist dieser Fiktion zuzuschreiben, dass die Schule, insbesondere die Primarschule, ihrem Auftrag nicht gerecht wird und scheitert. Den schulischen Bildungsgang zu individualisieren ist bis heute ein faszinierendes Projekt geblieben, ungeachtet des Umstandes, dass sich seither in verschiedenen Ländern streng geregelte, mehrere Jahre zusammenschliessende Bildungszyklen etabliert haben. An der Fiktion des Lernens im Gleichschritt ist in der Erwachsenenbildung nicht festzuhalten, und widersinnig wäre es, in Anbetracht der Unterschiedlichkeit der stufenspezifischen Lehrgänge, der verschiedenen schulischen Niveaus und Projektansprüche sowie angesichts des Umstandes, dass die Disponibilität der Studierenden sehr variiert, ein Gleiches für die Initialausbildung der Lehrerinnen und Lehrer verordnen zu wollen (Bautier, Berbaum et Meirieu, 1993 ; Lapierre, 1994 ; Perrenoud, 1997, 2001 a, 2001 b).

Ein schneller Beobachter der Szene könnte meinen, die Modularisierung der universitären Studiengänge sei im Wesentlichen ein Mittel zur Erhöhung der Mobilität der Studentinnen und Studenten. Erstes Ziel der Aufgliederung des Studiengangs ins Module war indessen nicht der Gewinn an Flexibilität. Es ging insbesondere darum, das Studienangebot zu diversifizieren und dadurch den jungen Studienanfängern ebenso gerecht zu werden wie jenen älteren Studierenden, die nach Jahren der Berufspraxis an die Universität zurückkehren. Es ist in der Tat selten, dass sich die berufliche Praxis und der Zuwachs an Lebenserfahrung mit dem Jahresprogramm eines Studiums gleichsetzen lässt. Deshalb hat es sich als nötig erwiesen, das Programm in kleinere Lerneinheiten aufzugliedern. Zudem bedurfte es eines Systems der Validierung erworbener beruflicher Wissenskompetenzen und Erfahrungen, wenn es galt, einzuschätzen, ob andernorts absolvierte Studien anerkannt werden können. Seit die Zäsur zwischen Initialausbildung und Weiter- oder Zusatzausbildung entfällt, ist es unerlässlich, ein Instrument der Validierung und der Äquivalenzermittlung zu schaffen. Das life long learning ruft nach einem System der Kreditanerkennung und &emdash;kapitalisierung, das sich auf die gesamte Dauer der Ausübung der beruflichen Aktivitäten erstreckt. Mit dem lebenslangen Lernen lösen sich die erworbenen Kompetenzen heraus aus den vereinzelten Lernprogrammen und werden zu Bausteinen einer je persönlichen Lern- und Berufsbiographie.

Und da gab es noch weitere, pragmatischere Gründe, die die Einführung der Module als wünschbar erscheinen liessen: die unzureichenden Stipendien und Studienbeihilfen sowie das Bedürfnis der jungen Erwachsenen, sich zu verselbständigen. Angesichts der Verlängerung der Studien ist es immer weniger realistisch, von einem Vollzeitstudium, d.h. von der unbegrenzten zeitlichen Disponibilität der Studierenden, selbst der jüngeren unter ihnen, auszugehen. Ältere, die einen Beruf ausgeübt haben, können selten während mehrerer Jahre ihren Erwerb vollständig aufgeben, wenn sie ihre Studien wieder aufnehmen. Wichtiger als die Zahl der Studienjahre ist somit der Nachweis der ins Studium investierten Arbeitsstunden und der durch Scheine ausgewiesene Studienleistungen (crédits). Das will besagen, dass die zulässige Studiendauer so zu bemessen ist, dass neben dem Studium eine Teilzeitarbeit, allfällig sogar eine berufliche Vollbeschäftigung möglich ist.

Auch die wachsende Durchfallquote anlässlich von Prüfungen lässt es angezeigt erscheinen, das Studium zu modularisieren. Bei Abbruch der Ausbildung oder bei einer Neuorientierung sollten die Betreffenden "credits" geltend machen und diese in eine neue Ausbildung oder Tätigkeit einbringen können. Die vielen inoffiziellen Zwischenzeugnisse, die an Universitäten ausgestellt werden, zeigen, dass diesbezüglich ein grosses Bedürfnis besteht. Schliesslich entspricht die Modularisierung auch dem Wunsch nach einer vernünftigen zeitlichen Regelung der Wiederholung von Studienteilen. Statt zufolge eines Prüfungsmisserfolges oder aus andern Gründen ein Studienjahr als Ganzes wiederholen zu müssen, ist es sinnvoller, sich zum Besuch eines einzelnen Moduls nochmals einzuschreiben oder, sofern dies angeboten wird, ein spezifisches Modul für Studierende in Schwierigkeiten zu belegen.

All diese Beweggründe haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Einführung der Module und der auf sie abgestützten "credits" veranlasst. Die Obsession der Verwaltung, die Modularisierung zu eigenen Zwecken zu instrumentalisieren, darf ihre eigentlichen Ziele und die Gründe, die ihre Entstehen veranlasst haben, nicht in Vergessenheit geraten lassen. Sie sind weiterhin aktuell.

 


II. Module tragen in ihrer Vielzahl zur
Entwicklung der beruflichen Kompetenzen bei

Die "Kompetenzorientiertheit" der Ausbildung von Lehrpersonen ist heute "in". Ich kann dieser Zielausrichtung unter drei Bedingungen zustimmen:

Nachzudenken gilt es über den Zusammenhang zwischen den anzustrebenden Kompetenzen und den Modulen, denn die Versuchung ist gross, die Aufgabe der Heranbildung jeder einzelnen Kompetenz je einem einzelnen Modul zuzuweisen. Wenn dies überhaupt zulässig und vertretbar ist, dann nur bezüglich einiger elementarer Befähigungen, ausgerichtet auf ein besonderes Einzelwissen und -können. So ist zum Beispiel ein einzelnes Modul denkbar, das das Klavierspiel lehrt oder zum Schreiben eines Geschäftsbriefes befähigt oder dazu, wie man am Krankenbett oder in der Arztpraxis eine Spritze setzt. All diese Tätigkeiten sind nicht sehr komplex; sie erfordern lediglich ein spezifisches "savoir faire" und eine technisch-praktische Geschicklichkeit.

Wenn jedoch eine Kompetenz ein breiteres Befähigungsspektrum voraussetzt &emdash; Wissen, Können, Wertungen &emdash;, stellt sich die Frage, ob sich die erforderlichen Teilqualifikationen im Verbund erwerben lassen oder ob sie im Gegenteil gerade ein je eigenes Lernen voraussetzen. Letzteres könnte dann angezeigt sein,

Diese drei Gründe belegen, dass in Ausbildungen von hohem Niveau die anvisierten Kompetenzen und die Modulen differieren und dass zwischen beiden zu unterscheiden ist. Dieser Umstand ist das komplexe Problem zuzuschreiben, ermitteln zu müssen, was jedes Modul zum Aufbau der angestrebten Kompetenzen beiträgt. Wenn es zu vermeiden gilt, dass sich die Entwicklung jeder Kompetenz je einem einzigen Modul zuordnet, wäre es noch weit verhängnisvoller, sich nicht darum zu kümmern, wo und wann und mittels welcher Module sich diese und jene Kompetenz im Studienverlauf vermitteln lässt. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Die Versuchung ist in der Tat gross, auf einen Kanon disziplinären Wissens zurückzugreifen und zu dessen systematischer Vermittlung ausschliesslich theoriebezogene und methodologische Module zu bestimmen. Es versteht sich, dass diese Versuchung von den Fächer-Lobbyisten ausgeht. Diese sind bemüht, nachzuweisen, wie bedeutungsvoll der Beitrag ihrer Disziplin im Aufbau der Kompetenzen ist, und sie kämpfen für ihre Dotation an Wochenlektionen. Je mehr Lektionen und Kreditpunkte sie ergattern, umso gewichtiger die Bedeutung ihrer Disziplin im Gesamtgefüge des Studienkonzepts. Ihr Stellenwert als Teil des Ganzen bestimmt über die berufliche Identität einer grossen Zahl von Ausbildenden. Diese sehen sich in ihren Ansprüchen bestätigt. Dazu kommen auch wirtschaftliche Interessen. Da gibt es "chasses gardées" und Schlüsselstellungen, die verteidigt werden.

Um dieser Gefahr zu begegnen &emdash; sie wird verstärkt durch eine Verwaltung, die diesbezüglichen Konflikten ausweicht und simple Ausgangslagen schaffen will -, ist es von Wichtigkeit, verschiedene regulierende Massnahmen zu treffen:

  1. Mehreren Modulen müssen interdisziplinäre Themen vorgegeben werden, entsprechend der Komplexität und der Mehrdimensionalität des Feldes praktischer Tätigkeit von Lehrpersonen.
  2. In allen Modulen ist das Einüben von Flexibilität ebenso wie die Anwendung erworbenen Wissens und Könnens in komplexen Realsituationen eine ernst zu nehmende Aufgabe. Das Lernen beschränkt sich nicht auf die Rezeption des Wissens. Es setzt praktische Arbeit, eine forschende Neugier und die Beschäftigung mit Projekten voraus und ist organisatorisch öfters gebunden an Laborarbeiten, Simulationen und Praktika.
  3. In den Lehrveranstaltungen ist auf die Integration und die Mobilisierung des erworbenen Wissens zu achten. In der Berufsausbildung der Lehrpersonen vollzieht sich das in selbstverantworteten Schuleinsätzen (Praktika), in anderen Studiengängen ist ein Gleiches erreichbar in Form von Abschlussarbeiten, Projekten oder in speziellen, zur Integration des Wissens anleitenden anderen Lerngefässen.
  4. Der Aufgabe der Evaluation und der (summativen) Beurteilung der Kompetenzen dürfen wir nicht ausweichen. Zu diesem Zweck sind spezielle Module vorzusehen, in denen die Dozierenden wie die Studentinnen/Studenten sich der Beurteilung zu stellen haben.

Diese vier korrektiven Massnahmen schaffen in ihrem Zusammenwirken die Voraussetzung, damit von den Modulen eine nachhaltig bildende Wirkung ausgeht.

 


III. Die Architektur des Curriculums festigen

Es ist unverzichtbar, eine Ausbildung in Modulen als ein komplexes Gefüge, als ein solides, in sich kohärentes Bauwerk zu konzipieren und sie nicht zu einem Stapel oder zu einer beliebigen Anreihung von Lerneinheiten verkommen zu lassen. Das Studium, dessen Verlauf heutzutage nicht mehr als Abfolge von Jahresprogrammen konzipiert ist, droht zum "Selbstbedienungsladen" zu werden, in dem sich jede/jeder holt, was ihm zusagt, zur Zeit, die ihr/ihm gerade passt. Diese Beliebigkeit führt dazu, dass die Ausbildung des öftern inkohärent ist.

Weil die Kohärenz nicht mehr durch einen einheitlich vorgeschriebenen Studienverlauf gewährleistet ist, bedarf es

Was die Studierenden als angehende "formateurs" in ihrem Studium erreicht haben, ist an den präzise definierten Lehr- und Lernziele sowie abgestützt auf eine provisorische Bilanz der erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen zu messen. Es ist durchaus vertretbar, ihnen einen Studienverlauf zu empfehlen, ja, sie dazu anzuhalten, und zu fordern, dass gewisse Module in ihrer Kombination verbindlich belegt werden, was freilich die Ausnahme bleiben und sich auf zwingende Einzelfälle beschränken muss, damit die angestrebte Individualisierung nicht in Frage gestellt ist.

Die persönliche Studienbegleitung und das Aushandeln der strategischen Optionen, die die Studierenden zu treffen haben, sind nicht in jedem Fall geeignet, die Individualisierung der Studien zu fördern. Darum sollte man sich davor hüten, dass die Mentorinnen und Mentoren in die Rolle der Alleinwissenden zurückfallen und meinen, besser als die Studierenden beurteilen zu können, was den einzelnen entspricht. Eine solche Haltung würde die Eigenverantwortlichkeit der Auszubildenden missachten, sie gängeln und entmündigen. Gewiss, es gibt einzelne Module, die das Rückgrat der Ausbildung sind und die nicht &emdash; oder allenfalls nur von äusserst wenigen &emdash; zu umgehen sind. Das bedingt die Einführung einer angemessenen Individualisierung des Studiums durch eine innere Differenzierung der einzelnen Module.

Das Anliegen, den Studienplan konsequent modular zu komponieren, rechtfertigt, dass bestimmte Module mit vielen Stunden dotiert sind und viele Kreditpunkte abgeben und dass andere schmaler sind und eine geringere Anzahl von "credits" zugeteilt erhalten. Zudem kann das Verhältnis zwischen dem zeitliche Umfang des Moduls und der Anzahl der Kreditpunkte je nach den gewählten Lern- und Arbeitsverfahren und je nach den von den Ausbildenden definierten Standards und Anforderungen variieren. Einzelne Module realisieren sich effizienter als Blockveranstaltungen, andere sind auf eine Abfolge von z.B. wöchentlichen zweistündigen Seminaren, Kolloquien oder Übungen angewiesen, weil die jeweiligen Zwischenzeiten Raum lassen müssen zur persönlichen vertiefenden Verarbeitung des Gelernten und zum Selbststudium resp. zur Vorbereitung des nächsten Lernschrittes. Schliesslich gibt es Module, die zu "passages obligés" werden, deren Belegung somit verpflichtend ist, während andere wahlweise besucht werden können, wobei der Optionsentscheid allein den Studierenden zusteht.

Die von der Bildungsverwaltung favorisierte Lernorganisation mittels standardisierter Module steht im Widerspruch zu dieser intelligent geplanten, flexiblen, den spezifischen Zielen und Inhalten entsprechenden Curriculumsarchitektur. Wer wollte gern in einem Haus wohnen, dessen Räume alle die selbe Form aufweisen, weil sie anhand eines genormten Planungsrasters konzipiert worden sind, weil sich das Bauen dadurch verbilligen lässt? Eine modulare Studienplanung geht aus vom strategischen Entscheid, wonach grosse Unterschiede zwischen den Modulen durchaus gerechtfertigt sind, Unterschiede der Form, des zeitlichen Umfangs sowie des Status und der Gewichtung innerhalb der Ausbildung.

 


IV. Die Regelung der Lernprozesse verstärken

Einer der grossen Vorteile der modularen Studienstruktur besteht darin, dass die Ziele der einzelnen Bausteine begrenzt, konkret und darum fassbar sind. Anders als die Lernprogramme, die an einen vorgegebenen Stundenplanraster gebunden sind und die die Zeit jede Woche in stereotyper Weise auf alle Disziplinen mit all ihren Lernzielen aufteilen, lassen die Module während einer definierten Zeitspanne eine intensive, konzentrierte und vertiefte Beschäftigung mit einem bestimmten Thema zu. Dies ist einer der Gründe, die gewisse Primarschulen veranlasst haben, Module einzuführen (Perrenoud, 1997 ; Wandfluh et Perrenoud,1999). Der stete Wechsel der Fächer im Takt der Lektionen von 45 Minuten Dauer ist eine der Ursachen, weshalb so wenig nachhaltig ist, was die Schule bildend und erziehend bewirken will. Dieser Lektionentakt führt zu einem permanenten zapping. Der Umstand, dass der Faden immer wieder abreisst und mühsam neu geknüpft werden muss, wenn die Arbeit am selben Thema nach einem Unterbruch von Stunden oder Tagen und nach der Beschäftigung mit anderen Inhalten wieder aufgenommen werden muss, bedingt den Verschleiss eines grossen Masses an Energie. Module schaffen die Voraussetzung, unseren Umgang mit der Zeit im Bildungsbereich und die Organisation der Arbeit in der Schule zu überdenken, mit dem Ziel, die Effizienz und Effektivität des Unterrichts zu steigern. Zu fürchten ist indessen, dass sich eine obsessive Verwaltung einzig an dem orientiert, was politisch möglich, bildungsökonomisch vorteilhaft und somit "tragbar" ist, und der Standardisierung der Module mehr Aufmerksamkeit schenkt als der pädagogisch intelligenten, differenzierten Ausgestaltung eines jeden Moduls. Es gilt auch darauf zu achten, dass sich innerhalb der Module nicht Mini-Programme nach dem Muster der traditionellen Stundenplanung reproduzieren. Es ist zu hoffen, dass sich die Module deutlicher an den definierten Ausbildungszielen orientieren als an den Programmen und dass sie den Studierenden differenzierte Lernmöglichkeiten anbieten, damit sie die Zeit, die innerhalb des Gesamtrahmens an Stunden zur Verfügung steht, optimal nutzen können.

 


V. Module dezentral entwerfen

In dem Masse, wie die Module als kleine standardisierte Einheiten definiert werden, sehen sich die Ausbildner/innen ihrer Aufgabe, die Module selber zu konzipieren, enthoben. Alle Dozentinnen / Dozenten sind als Einzelsteine in einer Mauer, die sie als solche nicht sehen und nicht kennen, nur noch für einen kleinen Ausbildungsteil zuständig und verantwortlich. Um die je eigene Arbeit zu verrichten, bedarf es keiner klaren Vorstellung des Ganzen. Diese Tendenz wird sich noch verstärken, dem in vielen Bereichen der Arbeitswelt feststellbaren Trend folgend, Aufgaben insgesamt oder teilweise an Unternehmungen zu übergeben, deren einziges Interesse darin besteht, Marktanteile zu gewinnen. Ein Ähnliches zeigt sich in der Welt der Medien: Die TV-Ketten legen ihre Zeitpläne fest und kaufen Sendungen bei Produktionsfirmen ein. Über eine Sicht des Ganzen verfügen einzig die Käufer der Programme, nicht die Konsumentinnen und Konsumenten. Die Produzenten der Sendungen sind darauf bedacht, ihre Angebote so stromlinienförmig wie möglich dem Geschmack des potentiellen Publikums anzupassen und der in der Öffentlichkeit vorherrschenden Meinung zu entsprechen. Auf diese Weise hoffen sie sich einen möglichst grossen Markt zu erschliessen.

Dieser Doktrin und Handlungsweise lässt sich eine andere Strategie entgegenhalten: die der Konzeptentwicklung durch die Betroffenen selbst, die der Übertragung dieser Arbeit an das Kollegium der Institutionen der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Dieses agiert auf zwei Ebenen:

Die Planungsarbeit findet, gestützt auf ein derartiges Dispositiv, ihren Abschluss, sobald der Auftrag erfüllt ist. Diese konzeptuelle Arbeit richtet sich aus auf die Formulierung der Modulziele und die Umschreibung der Inhalte, auf die Festlegung der zur Verfügung stehenden Zeit sowie auf die Kreditierung, nicht jedoch auf die innere didaktische Ausgestaltung der Module. Nun ist es die Aufgabe der Dozentinnen und Dozenten, die Arbeit einzeln oder in Gruppen fortzuführen. Es ist zu hoffen, dass sich die Ausbildenden so oft wie möglich zu einem pluridisziplinären Team zusammenfinden, damit sie der Komplexität der zu behandelnden Themen gerecht werden und diese mehrperspektivisch angehen können. Wichtig ist, dass die Dozentinnen- und Dozententeam über ausreichende Freiräume verfügen, über Zeit und Mittel, damit sie originelle und flexibel umsetzbare Konzepte entwickeln und realisieren können.

Eine verwaltungsgesteuerte Konzeption neigt dazu, kleine Module zu entwickeln und diese je einzeln arbeitenden Dozentinnen und Dozenten zur Umsetzung zuzuweisen. Eine der inneren Logik der Lehrer/innenbildung, folgende Studienplanung bevorzugt im Gegensatz dazu grosse Module, die als Zeitgefässe (Perrenoud, 2002) weit genug sind und Raum geben für eine konzeptuelle Planung auf der Grundlage interdisziplinärer Zusammenarbeit, für eine Bezugnahme auf verschiedene didaktische Dispositive, für die Realisierung eines engen Wechselbezugs von theoretischen Inputs und Praxisreflexion, für ein Zusammenwirken der Lehre mit der Forschung und Entwicklung sowie für eine indivualisierende Anpassung an die Bedürfnisse und Kapazitäten der Studierenden. Wenn die in Modulen geordneten Lehr- und Lernprozesse zugleich den Bezug zur schulpraktischen Arbeit sicherstellen und eine Kooperation mit den Praktikumsklassen ermöglichen, umso besser! Auf diese Weise erweitert sich der Personenkreis der Ausbildenden und es entsteht ein Netz der Ausbildenden, das die Übungs- und Praktikumslehrkräfte sowie die Schulen, an denen sie unterrichten, einbezieht. Dies hat sich in der Ausbildung der Primarlehrkräfte in Genf so realisiert (Perrenoud, 1993, 1994 , 1996). Hier gibt es selbstverantwortete Praktika ("stages en responsabilité"), die restliche praktische Schularbeit ist jedoch in die verschiedenen Module einbezogen, und das ausgerichtet auf Themen, die definiert sind als "Treffpunkte", ausgehandelt zwischen den Universitätsdozentinnen und &emdash;dozenten und den ausbildenden Praktikerinnen und Praktikern im Schuldienst (Perrenoud, 1998, 2001 e).

 


VI. Die Professionalisierung der Ausbildner/innen und die Eigenständigkeit der Lehrer/innenbildungsinstitute

Die Modularisierung der Studiengänge an den Hautes écoles supérieures, den Hautes écoles pédagogiques und den Universitäten, so wie sie von der Bildungsverwaltung gedacht und in Gang gesetzt ist, lässt eine Deprofessionalisierung der Lehrkörper befürchten, und dies zum Zeitpunkt, zu dem es darum geht, deren Kompetenz und Status anzuheben.

Die an HES und HEP Lehrenden dürften sich in ihrer Kompetenz und Identität nicht in der Weise beschneiden lassen, dass sie lediglich die Module umzusetzen haben, die andere auf dem Papier bis in jede Einzelheit genau entworfen haben. Auf Grund ihrer professionellen Qualifikation müssen sie an der Entwicklung des Studienplans eigenverantwortlich partizipieren, insbesondere die Module betreffend (Perrenoud, 2000). Sollte sich die Tendenz verstärken, die Module von zentraler Stelle aus in standardisierter Weise zu konzipieren, ohne Bezug zum Studienort und den jeweiligen Bildungsbedürfnissen der Studierenden, führt dies zur Entmündigung der Lehrenden und zur Aushöhlung ihrer Berufsrolle. Die Folge wäre eine Aufsplittung der Leistungsauftrräge, die Isolierung der einzelnen Dozentinnenn und Dozenten und die Einschränkung konzeptueller Aktivitäten auf einen kleinen Expertenkreis. Eine solche Entwicklung wäre selbst dann äusserst verhängnisvoll, wenn die Modulkonstrukteure ausgewiesene Experten wären: Lehrplantheoretiker, Bildungsingenieure, Programmierer modularisierter Studienverläufe. Die Ausbildung der Lehrer/innen ist ein zu wichtiges Anliegen, als dass ihre Planung an aussenstehende Experten delegiert werden könnte, die wohl als Spezialisten ihres Faches kompetent sind, denen jedoch die Sicht des Ganzen abgeht und die keinen Bezug zur praktischen Arbeit in Lehre und Forschung vor Ort haben. Schlimmer noch wäre es, die zentrale Steuerung "apparatchiks" zu überlassen, die ihre Macht und ihren Einfluss einzig dem vorbehaltlosen Bekenntnis zu den Prinzipien des New Public Management NPM, der neuen Verwaltungsführung, und damit nicht ihrer Kompetenz als Ausbildner/innen und Forscher/innen, sondern ihrer Beamtenloyalität zu danken haben. Verhängnisvoll ist es auch, wenn sogar innerhalb der Ausbildungsinstitutionen Rechte den Lehrenden und Forschenden entzogen werden und wenn wesentliche Befugnisse an die Verwaltung übergehen, an "gestionnaires",

All das Dargestellte ordnet sich dem Zeitgeist zu: dem Neoliberalismus, dem New Public Management, der Globalisierung, dem Merkantilismus der Ausbildung. Ist diese Fehlentwicklung unwiderruflich? Nicht zwingend, doch wirken sich die derzeitgen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten der Ausbildung aus, weil die Lehrenden mehr damit beschäftigt sind, ihre Vorteile wahrzunehmen und ihre Anstellung zu retten als miteinander ein starkes Kollektiv zu bilden, das für die gemeinsame Sache eintritt. So könnte es sein, dass die Modularisierung, die als eine der wichtigsten Innovationen und als didaktisches Hauptkennzeichen der modernen Erwachsenenbildung und der höheren Studien gedacht war, sich zum System entwickelte, das es vehement zu bekämpfen gälte. Das wäre dann der Fall, wenn diejenigen, die es propagieren, es zum Instrument der Rationalisierung und der Deregulierung des Bildungswesens werden liessen. Dann könnte die Parole lauten: Sage mir, aus wessen Gründen du die Modularisierung befürwortest, und ich sage dir, welche Interessen du verfolgst.

Zum Zeitpunkt, da die Schulen die Vorteile der Dezentralisation entdecken und in hohem Masse (teil-) autonom werden, gehen die HES / HEP den umgekehrten Weg und degradieren sich zu Ausbildungsorten, die in der Lehre standardisierte Programme umzusetzen haben, nicht anders, als die Schulen der Sekundarstufe dies tun. Diese Schwierigkeit ist freilich nicht allein der Modularisation zuzuschreiben, doch fördert sie diese Fehlentwicklung. In der Schweiz gab es eine eindrücklich hohe Zahl an Berufsausbildungen mit einer Vielzahl von Lehrprogrammen und unterschiedlichsten Organisationsstrukturen. Diese Varietät und Diversifikation der Schultypen mag exzessiv sein. Heute geht die Entwicklung des zunehmend normierten ausseruniversitären Bildungswesens auf der Tertiärstufe "im Sturmschritt" in die gegenteilige Richtung. Später wird man einsehen &emdash;wohl zu spät &emdash;, dass man so die Lebenskraft der Institutionen untergräbt und die an ihnen wirkenden Ausbildnerinnen und Ausbildner schwächt!

In der Zeit, in der in den humanwissenschaftlich ausgerichteten Berufen die Professionalisierung und die Reflexion der Praxis das Gebot der Stunde ist (Perrenoud, 2001 f), sind die Proletarisierung der Dozentinnen und Dozenten und die Normierung der Bildungsinstitutionen unverzeihliche strategische Fehler. In einem Land, das mit seinen Paradigmen stets im Rückstand ist, mag das kaum jemanden überraschen.

 


Literatur

Bautier, É., Berbaum, J. et Meirieu, Ph. (dir.) (1993) Individualiser les parcours de formation, Lyon, Association des enseignants-chercheurs en sciences de l'éducation (AESCÉ),

Lapierre, G. (dir.) (1994) Formations préprofesssionnelle et professionnelle des enseignants : continuités et dynamiques. La question de l'individualisation, Grenoble, Institut de formation des maîtres, Université Joseph Fourier.

Perrenoud, Ph. (1993) Die Ausbildung des Primarlehrkräfte an der Universität. Neue Perspektiven des Lehrerbildung in Genf, Beiträge zur Lehrerbildung, n° 2, pp. 139-152.

Perrenoud, Ph. (1994) Former les enseignants primaires dans le cadre des sciences de l'éducation : le projet genevois, Recherche et Formation, n° 16, pp. 39-60.

Perrenoud, Ph. (1996) Former les maîtres du premier degré à l'Université : le pari genevois, in Lapierre, G. (dir.) Qui forme les enseignants en France aujourd'hui ?, Grenoble, Université Pierre Mendès France, Actes des Assises de l'A.R.C.U.F.E.F, pp. 75-100

Perrenoud, Ph. (1997) Pédagogie différenciée : des intentions à l'action, Paris, ESF (2e éd. 2000).

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Perrenoud, Ph. (2001 b) Individualisation des parcours et différenciation des prises en charge, Éducateur, n° 11, octobre, pp. 26-31.

Perrenoud, Ph. (2001 c) Construire un référentiel de compétences pour guider une formation professionnelle, Université de Genève, Faculté de psychologie et des sciences de l'éducation.

Perrenoud, Ph. (2001 d) La place de l'analyse du travail réel en formation initiale : transposition et dispositifs, Université de Genève, Faculté de psychologie et des sciences de l'éducation.

Perrenoud, Ph. (2001 e) Articulation théorie-pratique et formation de praticiens réflexifs en alternance, in Lhez, P., Millet, D. et Séguier, B. (dir.) Alternance et complexité en formation. Éducation &emdash; Santé &emdash; Travail social, Paris, Éditions Seli Arslan, pp. 10-27.

Perrenoud, Ph. (2001 f) Développer la pratique réflexive dans le métier d'enseignant. Professionnalisation et raison pédagogique, Paris, ESF.

Perrenoud, Ph. (2002) Espaces-temps de formation et organisation du travail, in Nóvoa, A. (dir.) Espaços de Educação, Tempos de formação, Lisboa, Fundação Calouste Gulbenkian, pp. 201-235.

Wandfluh, F. et Perrenoud, Ph. (1999) Travailler en modules à l'école primaire : essais et premier bilan, Éducateur, n° 6, 7 mai, pp. 28-35.  

 

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